Das Leben in Indien als Arzt und Patient

"Solange die Dinge klein sind, gib ihnen Wurzeln. Wenn sie größer werden, gib Ihnen Flügel."
Indisches Sprichwort
Fünf Monate in Indien als Ärztin in der Chirurgie zu arbeiten war eine prägende Erfahrung für mich...
Ich habe in Indien in der Ambulanz, auf Station und im Operationssaal gearbeitet. Neben den fachlichen und tropenspezifischen Erfahrungszugewinn war der Umgang mit den Kollegen und den Patienten völlig anders als ich es aus dem europäischen Raum gewohnt war.
2006 habe ich im HTPZ einen Vortrag über die Homöopathie in Indien und meine Erfahrungen als Arzt und Patient in Indien gehalten. Die Vorbereitung führte mich nochmal richtig in einen Indien-Blues mit vielen Gefühls- und Erinnerungswellen, die ich nochmals durchlebte. Wenn es um Indien geht, ist es klar, dass es nicht um einfache Hochs- und Tiefs ging. Nein, Indien ist so vielgestaltig, bunt und vieldimensional, dass es zu reinsten Gefühlswogen kommen kann, die Tsunami-artig überrollen.
Meine Vorbereitungen für Indien beinhalteten neben Internetrecherchen das Lesen von Büchern wie Zirkuskind (John Irving), Das Gleichgewicht der Welt (Rohinton Mistry) und Notbremse nicht zu früh ziehen (Andreas Altmann), ausserdem gehörten die Bollywood-Filme mit Shah Rukh Kahn zum absoluten Muss! Doch was mich wirklich erwartete war mir in keinster Weise klar...
Nach meiner Ankunft in Mumbai (Bombay) war ich noch relativ lange völlig Verloren und musste mich umstellen, denn wer möchte behaupten, den indischen Slang des Englisch zu verstehen? Mir war es schier unmöglich! Dazu kam, dass in den ersten zwei Monaten EIN Patient im Privatkrankenhaus lag, der Englisch sprechen konnte! Oder ich habe die anderen nicht verstanden- denn das war selbst auf den Visiten oft nicht ganz klar, ob der Oberarzt gerade Englisch, Hindi, Marathi, eine Mischung oder noch eine andere Sprache sprach. Und auch die Zeichensprache war völlig unterschiedlich von unserer. Erst mit dem Erlernen von HIndi wurde mir klar, dass viele Hinid-Worte einfach in den englischen Satz eingebaut werden...
Mir war es fast unmöglich, die ersten Worte auf Hindi auszusprechen, die Sprache ist so anders und es erscheint wie ein Zungenkrampf, die Worte auszusprechen und richtig zu verstehen. Zum Glück sind die Chirurgen keine Meister des Redens, sondern der Tat, so dass ich bald eine chirurgische Anamnese auf Hindi erheben konnte und auch im OP mich bald verständlich machen konnte.
Das erste Krankenhaus, in dem ich arbeitete, liegt nicht weit vom grössten Slum Ostasiens, in Mumbai. Das zweite Krankenhaus ist ein staatliches Krankenhaus, südlich des Slums im Mumbai. Pro Tag waren neue Patienten zu versorgen und etwa 180 Patienten zu visitieren. Jeden Vormittag ist ein anderes Programm, entweder Notaufnahme, Ambulanz, Operationstage, kleine Operationen, Intensivstation oder Magen- Darmspiegelungen. Der Rest des Tages geht für die Visite und Verbandswechsel der anderen 180 Patienten drauf.
Die Bilder des Tages sind unglaublich- es beginnt schon mit der morgendlichen Bus- und Zugfahrt in das Krankenhaus. diese stehende Hitze, die vielen Menschen, die vielen Augen. Im Krankenhaus liegen die Menschen neben den Tieren auf den Fluren mit ihren kleinen Köchern und kochen für ihre kranken Angehörigen. Die Patienten liegen im grossen Saal mit etwa 300 Betten, teilweise zwischen 2 Betten auf Matratzen auf dem Boden, da sonst kein Bett mehr frei war. Ihre Lebensgeister sind schnell wieder erwacht, sobald ein Bett frei wird, so dass es zu Streitereien zwischen ganzen Familienclans kommt. Die Patienten bereiten sich auf die Visite vor- dazu gehört das Waschen, das Entbinden der Wunden und das Schicken von Verwandten zur Apotheke im Erdgeschoss, um Nadeln, Spritzen und Handschuhe für die Blutabnahme kaufen zu lassen. Liegen diese nicht am Bett, wenn der Arzt kommt, wird kein Blut abgenommen.
Vor der Ambulanz stehen die Menschen in einem grossen Pulk. Die Ärzte nehmen in kleinen abgetrennten Kammern Platz und die Schwestern öffnen die Türen. Sobald die Tür geöffnet wird, setzen sich die Patienten auf die Bänke, die vor jedem Zimmer stehen. Dort sitzen wir als Ärzte drinnen und untersuchen im Schnelltakt Patient nach Patient und koordinieren, was gemacht wird und wer welche Untersuchung braucht. Die ganz akuten Fälle werden in die Notaufnahme gebracht und vom anderen Teil der Unit weiterbehandelt bzw. operiert- hier ist immer Leben. Selbst um 3h nachts nach einer Operation aus dem OP-Saal kommend liegen die Menschen im Flur und warten auf ihre Angehörigen und es kommen immer neue Verletzte und akut Kranke, so dass non stop gearbeitet wird...
Emergency duty...

Eine kleine Ruhepause im Nachtdienst in der Notaufnahme am KEM Hospital, Mumbai
Eine kleine Geschichte aus dem OP-Saal...

Der Tag beginnt- die Fahrt mit der Autorikscha zum Bahnhof und mit dem Bus Baujahr 1970 ist zur Routine geworden, ich nuschele dem Fahrkartenverkäufer mein Ziel entgegen, zahle 8 Rupien und bekomme im Gegenzug meine Fahrkarte.
Im Krankenhaus angekommen ziehe ich mir verschlafen die grüne OP-Kleidung über, suche passende Flip-Flops, zur Kleidung farblich abgestimmte Stoff-Mütze und Stoff-Mundschutz, und werde von meinem Lieblings-Pfleger mit einem freudigen "Khja hai?" begrüsst, was so viel heisst wie "wie gehts?"! Alle erscheinen schon wach, auch der Patient auf der Liege, der auf seine bevorstehende Hauttransplantation geduldig wartet, grinst über alle Ohren und ist sehr stolz, hier endlich operiert zu werden. Vier Jahre lang hat es gedauert, bis sein nicht heilendes Ulkus endlich verschlossen wird. Im letzten Monat haben sich immer wieder Bakterien auf dem nicht beschreibbaren (da überdimensionalem) Ulkus getummelt- Namen wie Pseudomonas sorgten für guten Duft auf der Station, bis es nach seiner Vertreibung auch Klebsiellen und Citrobacter schafften. Immer wieder wurden Antibiosen, teure Spritzen und Milieuveränderungen durch altbewährte Hausmittel wie Essig probiert, bis die Ärzte fanden, dass es so nicht weitergehen kann und dieser arme Mensch kostenlos operiert wird. Genauso schaut er mich auch an- strahlend. Ich denke mir noch kurz, wie ich vor einer solchen Operation wohl schauen würde, ich glaube, ganz anders... Aber heute strahle ich auch, denn ich weiss, dass ich bei diesem Patienten nicht mehr wochenlang tägliche Verbandswechsel vor mir habe...
Im OP-Saal angekommen und "washed-up" wird heute zuerst eine zahlende Patientin behandelt- Fettabsaugung. Das scheint den Chirurgen keine Schwierigkeiten zu machen- im rasanten Tempo wird das Fett abgesaugt mit froher Stimmung und neuen Geschichten. Nur der OP-Pfleger, der mir auf einmal zwischen meinen Füssen rumkriecht und der eigenartige Duft verwundern mich- bis es nach einem erneuten Sprung des Pflegers unter dem OP-Tisch auf die andere Seite vollbracht ist: die Kakerlake ist erledigt und liegt tot zwischen unseren Füssen- die Flasche Gift ist aufgebraucht, die Ventilatoren summen... Unbeeindruckt wird weiteroperiert, wieder gewaschen und im nächsten OP-Saal der nächste Patient drangenommen. Die Lüftung ist in diesem OP-Saal ausgefallen, also werden viele Ventilatoren, die mit Staub bedeckt sind, im Saal aufgestellt, sie blasen die Luft hin- und her- nicht ideal für sterile Bedingungen, aber wir können zumindest arbeiten...
Mit der Operation, eine Pankreasschwanzresektion (Entfernung eines Teils der Bauspeicheldrüse), wird begonnen. Eher problematisch wird es, der Senior wird zur Hilfe geholt, ich werde eher arbeitslos, da ein zweiter Resident an den Tisch gerufen wird. Als auch das nicht viel weiterhilft wird der Dekan und Oberchef gerufen, der alles rettet und Klarheit verschafft. Bis dahin klingeln immer wieder die Handys, die nicht sterilen Pfleger heben ab und halten das Telefon an das jeweilige Ohr und für die anderen ist eine Verschnaufpause angesagt. In einer telefonfreien Zeit werde ich über Sport in Deutschland und natürlich über den von den Briten importierten Volkssport Kricket ausgefragt.. Ich will ja nicht gleich sagen, dass sie bei mir an der völlig falschen Adresse sind, also winde ich mich raus, dass bei uns eher Fussball populär ist, Kricket nicht so und die einzigen Regeln, die ich kenne, aus dem 4-stündigen Bollywood-Film Lagaan stammen. Das scheint zu reichen- Ablenkung kommt durch grosse Aufruhr im Hintergrund- Geräte werden geschoben und auf einmal: Fernsehlaute. Was ist passiert: Es wurde ein Fernseher in den OP geschoben, und sofort sind keine Augen mehr auf das OP-Feld gerichtet, jeder hält seine Haken, wie sie halt gerade hängen, die Schere in der Hand sinkt langsam, bis sie ruckartig wieder angehoben wird weil der Senior ruft: "Hey, abschneiden". Und so erfahre ich die ganze Wahrheit: die OP sollte eigentlich um 11.30h fertig sein, weil dann DAS Spiel beginnt. DAS Spiel ist das Kricket-Match zwischen Indien und seinem Erzrivalen Pakistan. Seit Monaten wird darauf hingefiebert.. Es wird über 5 Tage gehen, incl. den Vorspielen und wird eines der wichtigsten Events. Wann das Endspiel ist? Das weiss ich (noch) nicht- aber bestimmt nicht an einem Mittwoch, an dem operiert wird, denn das ganze Land wird es schauen. Vielleicht am Wochenende? Wer weiss... Insgeheim wünschte ich, es wäre an einem Mittwoch- ich wäre gespannt, ob alle Operationen abgesagt würden...Man muss ja schliesslich Prioritäten setzen!
Das Photo zeigt die Chirurgie-Unit am KEM-Hospital, mit der ich gearbeitet habe.
Homöopathie in Indien

Im indischen Gesundheitswesen gibt es Arztpraxen, private Krankenhäuser und staatliche Krankenhäuser. Angewendet werden Schulmedizin, Homöopathie („german medicine“), Ayurveda und Unani, die jeweils fünf Jahre lang studiert werden müssen.
Heute wird die Homöopathie weltweit in 80 Ländern praktiziert. Nach Indien wurde sie 1829 durch John Martin Honigberger (1795-1869) gebracht. Er besuchte Hahnemann 1835 und lernte von ihm. 1839 importierte Honigberger viele homöopathische Medikamente nach Indien von Hahnemanns Pharmazeuten Lehmann (Köthen). Die ganzheitliche Philosophie der Homöopathie ist der indischen und ayurvedischen Philosophie so nahe, dass die Homöopathie in Indien ihre natürliche Heimat gefunden hat.
Auch Mahatma Gandhi hat sich für die Homöopathie ausgesprochen. Er sagte in einer Rede: "Homöopathie ist die modernste und durchdachteste Methode, um Kranke ökonomisch und gewaltlos zu behandeln. Dr. Hahnemann besaß einen genialen Geist und entwickelte eine Methode, in der es keine Begrenzung gibt, um das menschliche Leben zu retten. Ich verneige mich in Ehrfurcht vor seinem Können und dem großen humanitären Werk, welches er schuf." (Aus einer Rede von Mahatma Gandhi vom 30.08.1936)
Seit 1973 ist die Homöopathie voll staatlich anerkannt, es gibt mittlerweile > 300.000 qualifizierte Homöopathen, 7500 staatliche homöopathische Krankenhäuser und 307 private homöopathische Krankenhäuser.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) unterstützt die Anwendung der Homöopathie in Indien. Sie schreiben: Die Homöopathie ist gut für ländliche Gegenden, wo die Infrastruktur, die Ausstattung und die konventionellen Medikamente nicht vorhanden sind.
Das Photo zeigt meinen "book-shop", hier gab es alles, man musste nur lange genug gucken und bloß nichts spezielles suchen!
Reisebericht: Indien auf eine andere Art erleben...

Ich bin jetzt seit etwa 5 Monaten in Bombay- eine riesige Stadt- 15 Millionen Einwohner, Tendenz steigend. Man liest in der Zeitung, dass 2/3 der Menschen wohnungslos sind bzw. in Slums leben... Und wenn man mal abends bzw. nachts spät durch die Strassen läuft wird einem bewusst, dass es wohl stimmen muss. Man muss sich zwischen schlafenden Menschenmassen hindurch den Weg suchen. Sie liegen auf Kartonresten und haben ihr Hab- und Gut (meistens eine Tasche) neben sich stehen. Guckt man in die am Strassenrand geparkten Autorikschas (3-rädrige Gefährte, die einen in den Vorortregionen überall hinfahren) so liegen auf den Hintersitzen zusammengekrümmt die Fahrer, schlafend. Da verwundert es doch etwas, wenn am nächsten Morgen der Rikscha-Fahrer ein Gesprääch beginnt (flüssiges Englisch heisst Vorsicht- meistens die Touristen-Napper) und einem erzählt, er wohne in Bandra, dem Szene-Viertel Bombays...
Auch wir haben hier eine Wohnung gefunden, im 4. Stock ohne Aufzug (bei der Hitze überlegt man sich dann 10x, ob man wirklich die Treppen laufen muss) und mit Balkon. Eine Rarität und absolut wunderschön! Oder eben dass, was für Indien wunderschön sein kann! Der hochgepriesene Garten in der Mitte der Häuseraanlage besteht aus einem Baumstumpf in der Mitte, einem heiligen Kreuz (der Grossteil der Bewohner von Bandra ist Katholisch), einem Mangobaum und roter trockener Erde... Mittlerweile hängt dort auch noch ein Netz fürs Federball-spielen, bei dem normalerweise nie weniger als 5 Menschen auf dem Spielfeld stehen.
Diese wahnsinnigen Menschenmengen sind auch sonst anzutreffen- wenn man abends mit dem Zug aus der Stadt hinaus will ist es fast hoffnungslos, in den Zug überhaupt nur reinzukommen. Der Zug fährt ein, es hängen aus jeder Tür schon etwa 20 Köpfe, manche sitzen auf dem Zug (obwohl verboten) und es steigt kaum jemand aus- aber ein!!! Der Bahnsteig ist so voll, dass man sich kaum bewegen kann, es bilden sich Menschentrauben, wenn ersichtlich wird, wo der Zug zum Stehen kommen wird.. Befindet man sich in so einer hat man wirklich Angst um sein Leben! Es wird gedrückt, gequetscht, gedrängelt und geschlagen. Manchmal bleibe ich stehen und schaue dem Trubel nur zu, weil es sowieso hoffnungslos ist, da hineinzukommen!
Abends gegen 21.30 bis 22h geht es dann wieder, dann muss man als Frau aber auch schon aufpassen.. es fahren fast nur noch Männer und die extra vorhandenen Frauenabteile sind fast leer. Es gibt sehr viele Vergewaltigungen hier und als weisse Haut und anders gekleidet fällt man noch mal mehr auf. Nach 22h sollte man ein Taxi nehmen oder am besten mit jemanden anders zusammen fahren.
Überhaupt scheinen die Bombayer nicht oft weisse Haut zu sehen bekommen- die meisten Touristen bleiben nur wenige Tage in Bombay und reisen weiter an die weissen Sträände Goas. So wird man immer wieder begafft. Hier scheint die Länge der Fixierung ganz normal zu sein, aber für uns ist es eine Ewigkeit! Im Reiseführer stehen so schöne Tips wie: „nicht zurückgucken, das verstehen sie als Aufforderung“ aber das ist absolut unhilfreich. Ich starre zurück- sonst verweilen deren Augen nämlich die ganze Zugfahrt auf einem. Das Zurückstarren dauert etwa 4-5x länger als bei uns, bis sie merken, dass es auffällt und schüchtern weggucken.
Im Krankenhaus ist das natürlich noch um einiges stärker. Ein weisser Doktor ist eine Rarität und bedeutet für die Menschen eine bessere Behandlung.. Ich bin ja im letzten Jahr der Ausbildung, aber wenn ich dann einem Patienten eine Kopfplatzwunde nähe sind sie sehr stolz und bedanken sich noch mal extra! Natürlich ist eine Kopfplatzwunde nähen auch eine andere Tätigkeit, als dies bei uns zu tun! Erstmal müssen die Angehörigen das Nahtmaterial und Handschuhe kaufen (warten ist in Indien sehr wichtig!!), dann umzingeln sie einen und schauen bei jedem Stich zu. Es wird diskutiert, lamentiert und die Hand des Patienten gehalten. Meistens sind es so um die 5 Angehörige oder mehr... Da bin ich oft froh, dass sie sich in Hindi oder Marathis, die lokalen Sprachen hier, unterhalten, so dass ich abschalten kann und mich einfach auf meine Tätigkeit konzentrieren kann ☺ Ansonsten sprechen alle Ärzte Englisch und mit der Zeit habe ich auch die wichtigsten Vokabeln in Hindi und Marathi gelernt..
Ohne Angehörige brauchen die Patienten erst gar nicht zu kommen- meistens werden sie dann nicht aaufgenommen! Ohne Verwandte ist man auch wirklich aufgeschmissen- sie müssen das Blut wegbringen, Medikamente und Materialien kaufen gehen, sich um Essen kümmern, der Schwester Bescheid geben, wenn die Infusion alle ist oder wenn es dem patienten schlecht geht. Eine „Klingel“ wie bei uns gibt es nicht und die Schwestern schauen auch nicht gerade oft vorbei... Bei der Patientenmasse und den wenigen Schwestern allerdings auch verständlich! Eine Freundin von uns sagte neulich zu mir: Ja, die Angehörigen hier sind sehr wichtig- sie müssen ja schliesslich den Ärzten und Schwestern sagen, wenn der patient gestorben ist... Das ist übertrieben, trifft aber den Sachverhalt im Kern.
Die Zeit im Krankenhaus hier ist sehr spannend- es ist alles so unterschiedlich, so dass man gar nicht weiss, wo anfangen zu erzählen. Vielleicht bei den „Zimmern“. Wird bei uns oft geschimpft über einen schnarchenden Nachbarn oder Ruhestörung um die Mittagspause braucht man hier gar nicht erst anzufangen. Es gibt einen grossen Raum, in dem alle Chirurgie-Patienten (getrennt nach Frauen und Männer) liegen. Für Verbrennungspatienten oder Säureattacke-Opfer (oft bei Eifersucht oder auch, um seine Frau loszuwerden) gibt es extra „Side-rooms“. Es gibt sogar noch Räume für „paying guests“, den Service durfte ich auch schon mal in Anspruch nehmen. Ich wurde ins Krankenhaus eingeliefert mit hohem Fieber nah am Delirium und Verdacht auf Malaria, die sich nicht bestätigt hat. Aber trotzdem wurde ich mit einer Unmenge an Antibiotika nach Hause entlassen! Denn das, was ich dort hatte, hatte ich zuhause auch- einmal am tag eine Schwester, die fragt, ob ich eine Milch haben möchte (ich dachte mir nur: Hä, Milch, was soll ich jetzt mit Milch?) und mir die Infusion zieht... und morgens der Riesen-Trupp von Ärzten, die mich auf Hindi konsultierten und dann hochtrabenden Gesprächen das Zimmer verließen...
Ich arbeitete in einem Staatlichen Krankenhaus, das heisst, dass die Patienten kostenlos behandelt werden. Sie müssen „nur“ für spezielle Dinge, wie sterile Handschuhe, Nahtmaterial und vor allem Medikamente bezahlen. So ist hier eines der schlimmsten Dinge, wenn man ein Antibiotikum mal einen Tag zu lange verschrieben hat, denn das heisst bares Geld für den Patienten. Oft sind es „nur“ 20 Rupien, das entsspricht 40 Cent, aber das ist für sie schon eine Menge....
Die Arbeitszeiten sind auch so eine Sache für sich- Montag bis Samstag sind normale Arbeitstage und dann gibt es noch die Notfall-Dienste, an denen wir Montag morgens früh beginnen, über Nacht arbeiten und den ganzen Dienstag noch. Mittwoch geht’s natürlich normal weiter... Alle 4 Wochen hatten wir auch am Sonntag noch 24 Stunden-Dienst, das heist, wir haben von Sonntag früh bis Dienstag abend gearbeitet, die Nächtse durchoperiert und nur wenige Stunden geschlafen. Danach war ich so richtig im Eimer, die Inder haben sich recht gut geschlagen (obwohl sie noch weniger als ich geschlafen haben...). Hier kann man dafür so richtig viel lernen, viele Patienten, viele Krankheiten und man kann viel machen. Jetzt habe ich 5 Monate in Krankenhäusern gearbeitet (einem Privaten und einem Staatlichen). Im Staatlichen habe ich mich sehr wohl gefühlt und es war richtig schade, aufzuhören. Dennoch war es gut, nach den 5 Monaten wieder in deutsche Gefilde zu reisen, denn das Leben, die Mentalität und alles sind so unterschiedlich, dass selbst fast ein halbes Jahr nicht reichen, sich daran zu gewöhnen...
Das Photo zeigt einen Zug, wie er täglich zu sehen ist- für mich nur von aussen, denn da kam ich nciht mehr mit drauf!